„Wir sind kein alter Tatterverein“

50 Jahre Tübinger Kreisseniorenrat

von Edgar Lersch (erschienen in Tübinger Blätter 2025, S. 121-126)

Mit den im Titel zitierten Worten charakterisierten sich Teilnehmer einer Veranstaltung des Kreisseniorenrats Ende der 1990er-Jahre, in einer Zeit, da dieser bereits 25 Jahre erfolgreiche Arbeit geleistet hatte. Gegründet wurde das Gremium in den 1970er-Jahren, als es zu einem Paradigmenwechsel in der Altenpolitik und -arbeit kam.

Damals zeichnete sich bereits ab, dass der Anteil der älteren Menschen zunehmen, die durchschnittliche Lebenserwartung steigen werde. Wissenschaft und Politik erkannten, dass für diese Personengruppe neue sozialpolitische Konzepte erforderlich würden – jenseits von wachsenden finanziellen Spielräumen für die ‚Alten‘, altersbedingt notwendiger Krankenbetreuung und der Sicherung einer Basisversorgung bei Pflegebedürftigkeit. Man erkannte den Bedarf an gezielteren Hilfsangeboten und einer problemorientierten Unterstützung der aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen Mitbürger. Die nach und nach erarbeiteten Konzepte wurden unter dem Schlagwort „offene (gelegentlich auch „ambulante“ oder „extramurale“) Altenarbeit“ zusammengefasst. Dies ist der geschichtliche Kontext des 1972 gegründeten Stadtseniorenrats der Universitätsstadt Tübingen und des 1974 ins Leben gerufenen Kreisseniorenrats Tübingen. Rückblickend mögen die beiden Verbände eine Zeitlang als quasi identisch erschienen sein, angesichts der von 1978 bis ins Jahr 2003 beiden Organisationen in Personalunion vorsitzenden Alma Hämmerle. Doch so war es nicht. Jedes Gremium versah jeweils eigene Aufgaben. Die Arbeit des Kreisseniorenrats soll im Mittelpunkt dieses Beitrags stehen.

„Altenarbeit ist mehr als Kaffeekränzchen“

Vorformen „Offener Altenarbeit“ gab es nicht nur im Kreis Tübingen seit den 1960er-Jahren in den sogenannten „Altenclubs“. Diese Clubs waren überwiegend angebunden an Pfarrgemeinden oder lokale Einrichtungen der großen Sozialverbände, bezeichnenderweise aber kaum an die Kommunen. Aus der Clubarbeit in Tübingen kommend, wuchs Alma Hämmerle (1924–2016), wohnhaft in der Weststadt, nach und nach in die Rolle der Promotorin einer sich professionalisierenden offenen Altenarbeit in Kreis und Stadt Tübingen hinein. Der Anfang lag am Ende ihrer Familienphase, als sie 1971 mit knapp 50 Jahren sich im Weststadt-Altenclub der evangelischen Stephanusgemeinde engagierte. Um für die Altenclubs jenseits von Kaffeetafeln und gemeinsamem Singen anspruchsvollere Angebote zu entwickeln und sie dafür zu vernetzen, gründeten Pfarrer Peter Mittler von der evangelischen Eberhardsgemeinde und sie am 18. Juli 1972 ein Tübinger „(Bezirks-)Kuratorium für offene Altenarbeit“. Den Vorsitz übernahm der Pfarrer bis zu seinem Weggang nach Böblingen, im Frühjahr 1978 wurde Hämmerle seine Nachfolgerin und blieb es bis Ende 2005. Als Hämmerle 1973 als CDU-Vertreterin Mitglied im Kreistag wurde (bis 1994, von 1975 bis 1994 war sie auch CDU-Stadträtin), lag es auf der Hand, dass Probleme der älteren Generation ihr Fachgebiet wurden. Um den Landkreis in die Finanzierung der „Offenen Altenarbeit“ mit einbinden zu können, folgte sie dem Rat eines Fraktionskollegen: Dazu bedürfe es einer entsprechenden Institution auf Kreisebene. Über dem Tübinger Bezirkskuratorium angesiedelt, hätte dann die Institution auf Landkreisebene andere Aufgaben zu übernehmen, so die Überlegung. Folgerichtig ergab sich für Hämmerle eine quasi subsidiär gegliederte Organisation der „Offenen Altenarbeit“, die sie während des Jahres 1974 zügig kreisweit und mit Unterstützung der Kreisverwaltung, etwa bei der Ausarbeitung einer Satzung, aufbaute.

Für Hämmerle lag längere Zeit noch die Basis der „Offenen Altenarbeit“ in den dezentral arbeitenden Altenclubs in Stadt- und Ortsteilen. Sie sollten für die Besucher unbedingt auf kurzen Wegen erreichbar sein, ihre Zahl wuchs bis zum Ende der 1990er-Jahre auf mehr als hundert an. Es war deren primäre Aufgabe, durch verschiedene Angebote die alten Menschen (damals waren es in erster Linie Frauen) aus Einsamkeit und Isolation herauszuholen, sie zusätzlich zu „Hilfe zur Selbsthilfe“ anzuleiten für ein so lange wie möglich eigenständiges Leben. Die Clubs arbeiteten auf ehrenamtlicher Basis wie auch die übergeordneten Gremien: Das gehörte für Hämmerle unbedingt zur „Offenen Altenarbeit“ dazu, ehrenamtliche Tätigkeit blieb im Kreisseniorenrat Kennzeichen bis in die Gegenwart.

„Bezirkskuratorien“ sollten ihrerseits die Altenclubs koordinieren und unterstützen. Die größeren Kuratorien waren in der Lage, anspruchsvollere und arbeitsintensive Angebote bereitzustellen, so organisiert etwa das Bezirkskuratorium Tübingen seit 1973 bis heute die sogenannte „Schönbuchfreizeit“ oder veranstaltete von 1975 bis 1987 die Tübinger Seniorentage. Die Idee der „Begegnungsstätte für Ältere“ für Tübingen wurde im dortigen Bezirkskuratorium seit 1973 erörtert und konzipiert. Nach einigem Hin und Her eröffnete sie 1982 und wird seitdem von einem 1979 gegründeten eigenen Trägerverein verwaltet. Weder das Kreis- noch das Bezirkskuratorium Tübingen waren in das Projekt, den späteren „Hirsch“, direkt involviert.

Konzept und Vereinsgründung

Die Bezirkskuratorien entsprachen in etwa der kommunalen Großgliederung des Landkreises, wurden bezeichnenderweise nur teilweise oder erst nach und nach finanziell von Städten und Gemeinden unterstützt. In diesem Fall gab es bescheidene Zuweisungen aus dem überschaubaren Zuschuss des Landkreises. Diese verteilte das Kreiskuratorium, das seinerseits als ‚Dachorganisation‘ von Bezirkskuratorien kreisweit Altenarbeit koordinieren und Anregungen für die Klubarbeit vermitteln sollte. Hämmerle erachtete es als dringend notwendig, ehrenamtliche Mitarbeiter in den Clubs aus- und fortzubilden. Gerade Informationen zur Altenproblematik zu bündeln und weiterzureichen, die Interessen der Älteren vor allem gegenüber dem Landkreis und den Kommunen zu vertreten, oblag dem Kreiskuratorium. So formulierte es die Satzung, die nach der Konstitution eines provisorischen „Kreiskuratoriums für offene Altenarbeit“ am 21. Februar 1974 mit der formellen Gründung des Vereins am 5. Dezember 1974 in Kraft gesetzt wurde.

In der Zwischenzeit waren vier Bezirkskuratorien nach Tübinger Vorbild (das auch Dettenhausen umfasste) gegründet worden: im Mai 1974 in Rottenburg, im Juli des Jahres im Steinlachtal, im Oktober für die Härten mit Kirchentellinsfurt und im November für Ammerbuch. Mitglieder im Kreiskuratorium wurden auf Basis eines Vorstandsbeschlusses in der Altenarbeit besonders erfahrene Einzelpersonen, Sprecher von Altenclubs und Vertreter einschlägig tätiger Vereine und Einrichtungen. Hinzu kamen Vertreter der Bezirkskuratorien. Alma Hämmerle wurde zur Vorsitzenden gewählt, sie blieb es bis zum Frühjahr 2003. Die Büros des Kreis- und des Tübinger Bezirkskuratoriums befanden sich längere Zeit in der Privatwohnung der Familie Hämmerle in der Köllestraße 31 in Tübingen. 1992 zogen sie in das umgebaute Untergeschoss des Hauses, boten somit auch Platz für die in den 1990er-Jahren angestellten Beschäftigten.

Finanzielle Ausstattung

Von den dem Kreiskuratorium zur Verfügung stehenden Geldmitteln von anfangs etwas mehr als 20 000 DM trug der Landkreis einen Betrag von 15 000 DM. Davon wurde der größte Teil an die Bezirkskuratorien weitergereicht und bis in die 1990er-Jahre in die Fortbildung der ehrenamtlichen Clubleiter investiert. Erst 1996 wurde er auf 21 500 erhöht. Etwa 60 000 bis 70 000 DM (halbiert 2002 in Euro) für zwei halbe Stellen waren von 1992 bis 2003 quasi durchlaufende Posten.

Sonderprojekte mussten häufig durch Spenden finanziert werden. Das galt zumindest teilweise für den 1980 erstmals veröffentlichten „Wegweiser für ältere Menschen“ mit anfangs 24 Seiten, dann mit stetig erweitertem Umfang. 2010 publizierte der Stadtseniorenrat Tübingen eine eigene Ausgabe als „Wegweiser für Senioren“, 2023 in der elften Auflage mit einem Umfang von 100 Seiten. Zu den Initiativen des Kreiskuratoriums gehörte seit 1979 auch eine spendenfinanzierte sogenannte Telefonkette, für die ebenfalls die eigenen Mittel nicht ausreichten.

Impulse und Initiativen

Das bundesweite Echo auf die Tübinger Initiative in Sachen „Patientenverfügung“ waren der umfänglichen wie geschickten Öffentlichkeitsarbeit der Vorsitzenden zu verdanken. Vom Entwurf eines derartigen Papiers seitens des Kreisseniorenrats Böblingen erfuhr Hämmerle Ende 1994, übernahm ihn mit einigen – zum Ärger des Verfassers – nicht ganz korrekten Formulierungen, die in einer Überarbeitung des Universitätsklinikums getilgt wurden. In einer Pressekonferenz am 9. März 1995 in Tübingen vorgestellt, erlangten die damals noch kurzgefasste Verfügung und damit das Kreiskuratorium bundesweite Bekanntheit. Dieses nahm es auf sich, über einige Jahre lang Zehntausenden von Bitten auf Zusendung nachzukommen.

In den 1990er-Jahren wurde dem Kreiskuratorium vom Landkreis die im Kreisaltenplan vorgesehene Wohnberatung übertragen. Der Kreis finanzierte die dazu notwendige Personalkapazität seit 1994 mit einem Zuschuss von 62 000 DM. Die zwei halben Stellen teilten sich eine Bürohilfe und die Koordinatorin der individuellen Wohnberatung, für die ehrenamtliche Fachleute für Gespräche im Büro und Vorortbesichtigungen bereitstanden. Die fachkundige Expertise sollte es ermöglichen, mit oftmals geringen Veränderungen in der Wohnung einen Heimaufenthalt zu vermeiden oder wenigstens hinauszuschieben. 1996 kam nach Vereinbarung mit dem Landkreis die Vergabe eines Prüfsiegels für „Betreutes Wohnen“ hinzu, als „Qualitätskontrolle“ für die wie Pilze aus dem Boden schießenden Einrichtungen dieser Art. 2002 zog sich der Landkreis aus der Förderung zurück, von 2003 an wurde sie ehrenamtlich weitergeführt.

Im Frühjahr 1999 – nun 75 Jahre alt – kündigte Alma Hämmerle an, nach 25 Jahren den Vorsitz des Kreiskuratoriums niederlegen zu wollen. Doch erst im März 2002 stand mit Hansjürgen Stiller (1936–2016) ein Nachfolgekandidat zur Verfügung. Seine Kandidatur knüpfte er an die Bedingung, das Aufgabenspektrum des Kuratoriums und die Arbeitsstruktur des Vorstands zu verändern, um auf diese Weise ein „mehr aktiv, offensiv Ziele setzende[r], den Verein führende[ r] Vorsitzender“ sein zu können. Am 23. Juni 2003 wurde er unter Annahme der Satzungsänderungen gewählt, darunter auch die Umbenennung in „Kreisseniorenrat“. Mit Stillers Wahl löste sich die Personalunion in der Leitung von Kreiskuratorium und Bezirkskuratorium Tübingen auf. Letzteres veränderte im April 2003 den Namen in „Stadtseniorenrat“. Bis eine neue Spitze gewählt werden konnte, dauerte es bis zum März 2006. Die Bürogemeinschaft in der Köllestraße 31 bestand bis Anfang 2008 fort, dann zog das Sekretariat des Kreisseniorenrats in die Schmiedtorstraße 2 beim Bürgerheim, nach einer Zwischenstation seit 2017 in der Huber-Straße in das Landratsamt bei den Mühlbachäckern.

Neue Vorsitzende – veränderte Aufgaben

Als Stiller im Dezember 2016 noch in der laufenden Wahlperiode verstarb, wurde am 29. Juni 2017 Michael Lucke, ehemaliger Erster Bürgermeister der Stadt Tübingen, als Nachfolger gewählt. Bereits der Wechsel 2003 war aus mehrerlei Gründen die Zäsur in der fünfzigjährigen Geschichte des Kreisseniorenrats gewesen. Bei Wahrung des Grundanliegens erfolgten unter den beiden Vorsitzenden seitdem Anpassungen an die im Wandel begriffenen Rahmenbedingungen für „Offene Altenarbeit“.

Zum einen veränderte sich die Arbeitsorganisation. Die Vorsitzenden Stiller und Lucke konzipierten Handlungsziele wie Detailaufgaben in teils ausführlichen Konzeptionspapieren auf Basis von Empfehlungen aus Wissenschaft und Altenpolitik, ein Vorgehen, das ihnen als langjährig erfahrenen Verwaltungsfachleuten vertraut war. Neu waren sowohl ein geschäftsführender Vorstand mit Ressortverteilung in eigenständiger Verantwortung als auch ein systematischeres Nachdenken darüber, inwieweit die Angebote des Gremiums in den einschlägigen Zielgruppen aufgegriffen würden. Was die Ziele des Kreisseniorenrats angeht, so (re-)formulierte sie Stiller bereits in den ersten Jahren seiner Amtszeit gemäß der Maxime, Senioren jeglichen Alters so lange wie möglich ein selbstbestimmtes, ‚gutes‘ Leben in vertrauter Umgebung zu erhalten. Dabei gehe es darum:
1. die dazu erforderlichen Hilfestellungen und Unterstützungen entweder bereitzustellen oder diese organisieren zu helfen.
2. Zu diesem Zweck als Interessenvertretung der Senioren tätig zu werden und dafür außer mit der Verwaltung engen Austausch mit Parteien und politisch Verantwortlichen zu pflegen.
3. Das gesellschaftliche Engagement der Senioren zu fördern und dabei neben anderem deren „Potentiale“ dafür zu nutzen, in einem gewissen Rahmen die erforderliche Betreuung der Älteren zu unterstützen.
4. Hilfreiche Informationen für betroffene Senioren sowie die allgemeine Öffentlichkeit bereitzustellen, um letztere immer wieder für die Probleme des Alters zu sensibilisieren.

Im Folgenden einige Beispiele für die vielen Angebote und Projekte in diesen Handlungsfeldern:

  • Die wegen Mittelkürzung 2002 auf ehrenamtliche Basis umgestellte Wohnberatung übernahm bis in die Gegenwart Ernst W. Briese als erfahrener Architekt. Auskünfte wurden im Büro erteilt etwa für geringfügige, gleichwohl effektive Einbauten altersgerechter Details bis hin – nach Besichtigung vor Ort – zu größeren Umbauten in vertrauter Wohnumgebung, Letzteres meist im Sanitärbereich. Weitergeführt wurde ebenso das „Prüfsiegel für Betreutes Wohnen“ mit aufwendigen Begehungen und Gutachten. Das Verfahren endete mit dem Auslaufen der staatlichen Förderung im März 2016.
  • Zur Wohnberatung im weiteren Sinne gehörte das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung angestoßene, 2013/14 geförderte Projekt „Abbau von Barrieren zur Nutzung moderner Technologien durch bürgerschaftlich engagierte Senioren und Seniorinnen“. Angesichts der zunehmenden Technisierung aller Lebensbereiche sollten Erfahrungen gesammelt werden, modernste Technologien stärker zu nutzen, um die Lebensqualität der Älteren im beschriebenen Sinn zu verbessern. Um insbesondere, aber nicht nur betagteren Senioren den Zugang zu erleichtern oder gar zu eröffnen, bedürfe es kundiger – ehrenamtlicher – Vermittler, auch „Technikbotschafter“ genannt. Das Projekt hatte zum Ergebnis, dass zum Gelingen eines dauerhaften Angebots ein hohes Maß an Vernetzung zwischen Technik-Anbietern, Seniorenbetreuern und „Botschaftern“ nötig sei. Für eine Umsetzung in die Praxis wurden jedoch keine weiteren Geldmittel zur Verfügung gestellt.
  • Angesichts des sich wegen der demografischen Entwicklungen abzeichnenden nun wirklich dramatischen Pflegenotstands setzte Lucke dezidiert auf neue Formen der Unterstützung von unterschiedlich pflegebedürftigen Senioren, und dies nicht in erster Linie in Pflegeheimen. Nach dem Grundsatz „Pflege muss zu den Menschen kommen,“ sollte vielmehr durch baulich wie organisatorisch eigens dafür konzipierte Einrichtungen im vertrauten Umfeld „Pflege im Quartier“ ermöglicht werden. Ehrenamtlich hätten sich daran im Umfeld lebende Bewohner unterschiedlichen Alters zu beteiligen, vornehmlich gerade auch jüngere, noch dazu in der Lage befindliche. Beispielhaft dafür existieren bereits einige ‚Leuchttürme‘ und Piloteinrichtungen. Um das Konzept auf Dauer erfolgreich zu machen, bedarf es Überzeugungsarbeit und der Entwicklung komplexer Vernetzungen. Um die Quartiersentwicklung im Landkreis zu verstetigen, hat der Kreistag den Kreisseniorenrat vertraglich beauftragt, diese Aufgabe zu übernehmen und übernimmt seinerseits dafür die Kosten für eine hauptamtliche Kraft.
  • Anders als Hämmerle sahen Stiller und Lucke die satzungsgemäß gebotene „Überparteilichkeit“ nicht mehr darin, Abstand zu Parteivertretern oder Parteipolitikern zu halten. Sie suchten den intensiven Austausch mit den Lokalpolitikern im Landkreis, mit den Tübinger Landtagsabgeordneten und den regionalen Vertretern auf Bundesebene. Jeweils intensiver wurden die Kontakte vor den Kommunalwahlen und vor denen zum Landtag, man traf sich zu Kandidatenpodien und -befragungen und legte etwa für die Kreistagswahlen 2004 und 2009 sowie die Landtagswahlen 2011 und 2016 Papiere mit Erwartungen an die Politikvertreter vor mit der Bitte, die in den Handlungsfeldern vorgestellten Zielsetzungen zu unterstützen.

Perspektiven

Die ursprüngliche Clubarbeit war unterdessen zu einer von zahlreichen Aktivitäten zur „Unterstützung“ geworden, sie hatte schon länger an Bedeutung verloren. Bereits Mitte der 1980er-Jahre nahm die Zahl der Besucher ab, der Altersdurchschnitt lag bei achtzig und mehr Lebensjahren. „Junge Alte“ würden immer weniger erreicht, klagte Alma Hämmerle. Auch wenn Lucke noch 2018 die vorhandene (Club-)„Arbeit … als nicht hoch genug einzuschätzen“ charakterisierte: Die inhomogener gewordene, mehr und individuellen Neigungen und Bedürfnissen nachgehende Altersgruppe der Senioren war auf dieses Angebot mittlerweile weniger angewiesen. Gleichwohl blieben und bleiben nach wie vor Einsamkeit und Isolation nicht nur für die wachsende Zahl der Hochbetagten im Alter von 85 Jahren und mehr ein Thema. Die weiter alternde Gesellschaft, der dramatisch sich entwickelnde Pflegenotstand wird in Stadt und Kreis Tübingen auf die Aktivitäten und Angebote der Seniorenräte angewiesen bleiben. In den über fünfzig Jahren ihres Bestehens zeigten sie sich den Anforderungen gewachsen, reagierten besonnen, flexibel und innovativ auf Veränderungen. Dies möge im Interesse der alten Menschen auch in Zukunft so bleiben.

Anmerkung: Der Beitrag basiert auf Archivalien des Kreisarchivs Tübingen (Kreisseniorenrat ca.1973–2005, acc.2008-01) und des Stadtarchivs Tübingen (Nachlass Alma Hämmerle 1971–2014, E010/N264) sowie verschiedenen Dossiers der „Zeitgeschichtlichen Sammlung“ (ZGS) mit vor allem Artikeln des „Schwäbischen Tagblatts“ zu Stichworten wie „Kreiskuratorium, -seniorenrat Tübingen“, „Bezirkskuratorium bzw. Stadtseniorenrat Tübingen“, „Alma Hämmerle“, „Hirsch“ und anderen. Eine etwas ausführlichere Version mit detailliertem Anmerkungsapparat findet sich demnächst unter www.tuenews.de/ magazin.